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Gravellenker: Griffig in jedem Gelände

Gravellenker sind die jüngeren Geschwister der Dropbars, die einen stärkeren Fokus auf Komfort, Kontrolle und Übersicht legen. Unsere Gravellenker-Beratung

Gravellenker sind eine Spielart des klassischen Rennlenkers. Die Grundform ist identisch, aber Formgebung und Maße unterscheiden sich erheblich. Genau diese kleinen Unterschiede sorgen dafür, dass Dir ein Gravellenker perfekt passt oder sich als fauler Kompromiss erweist. Deshalb lohnt ein wenig „Theorie“ und Vorüberlegung, bevor Du Dich für Deinen Gravellenker entscheidest. 

Gravellenker (links) vs. Rennradlenker: Der Flare macht den Unterschied und bietet mehr Kontrolle im Gelände.

Gravellenker (links) vs. Rennradlenker: Der Flare macht den Unterschied und bietet mehr Kontrolle im Gelände.

So hast Du auch jede Menge Platz für leichtes, voluminöses Gepäck beim Bikepacking.

So hast Du auch jede Menge Platz für leichtes, voluminöses Gepäck beim Bikepacking.

Volle Kontrolle auf jedem Untergrund.

Volle Kontrolle auf jedem Untergrund.

Ok, auch beim Tragen.

Ok, auch beim Tragen. ;)

Der Unterschied zwischen Rennlenker und Gravellenker

Beim klassischen Rennradfahren geht es um Tempo. Aerodynamik ist ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg und der Rennlenker soll den Fahrer in eine möglichst windschnittige Position bringen. Alle Maße, die den Lenker etwas komfortabler machen, fügen sich diesem „Aero-Diktat“. Deshalb sind Rennlenker schmal, ragen weit nach vorn und der Unterlenker ist tief abgesenkt. Soweit die reine Rennradlehre.
Mit dem Gravelbike verlässt Du die asphaltierte Straße, das hohe Tempo eines Pelotons und nicht selten auch die Sicherheit einer abgesperrten Rennstrecke. Dann müssen Rad und Lenker auch andere Aspekte als nur Tempo und Aerodynamik optimal erfüllen: Neben geringem Windwiderstand bekommen Komfort, Kontrolle und Übersicht (im Verkehr oder für den Blick in die Natur) mehr Bedeutung. Dem trägt die Form des Gravellenkers Rechnung.

Wie finde ich den richtigen Gravellenker?

Damit Du Deinen neuen Lenker perfekt auswählen kannst, solltest Du wissen, welche Maße der gegenwärtig montierte Lenker hat. Ermittle bei der Gelegenheit auch direkt die Maße Deines Vorbaus.
Da die Mischung der Aspekte Aerodynamik, Kontrolle, Komfort und Übersicht sehr unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen kann, sind die Lenker unter dem Schlagwort „Gravel“ so verschieden. Deine Lenkerwahl beginnt mit Deiner Ergonomie: Welche Größe und Statur hast Du? Je größer, breiter und schwerer Du bist, desto breiter wird auch Dein Lenker ausfallen. Als Faustformel beim klassischen Rennlenker gilt, dass er Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenk in eine Linie bringen sollte. Ob Du dabei an den Bremsschaltgriffen oder im Unterlenker greifst, ist unerheblich, denn diese liegen beim klassischen Rennlenker in einer Achse. Nicht so bei den meisten Gravellenkern.

Flare: Macht den Rennlenker zum Gravellenker

Die meisten Gravellenker sind in den Drops ausgestellt, sprich sie werden unten breiter. Dieses Maß wird „Drop Flare“ oder kürzer „Flare“ genannt und in Winkelgrad angegeben. Das Spektrum reicht von wenigen bis zu über 20 Grad. Drei Ideen stehen hinter dem Drop Flare: Erstens wird im Gelände viel in den Unterlenker gegriffen. Mehr Breite bedeutet gleichzeitig mehr Hebelarm und damit mehr Kontrolle. Das kennt jeder Mountainbiker. Zweitens bewegen sich bei aktiver Fahrweise im Unterlenker die Unterarme relativ stark. Ausgeprägter Drop Flare verhindert schmerzhafte Kollisionen mit dem Oberlenker. Außerdem sorgt mehr Flare für mehr Abstand zwischen Unterlenker, Händen sowie Knien und vermeidet so gerade bei langsamer Fahrt und entsprechenden Lenkeinschlägen Berührungen.
Für die ideale Breite Deines Gravellenkers hast Du also drei mögliche Bezugspunkte: Oberlenkerbreite, Breite auf Höhe der Bremsschalthebel und die Unterlenkerbreite. Unser Tipp: Der Lenker sollte an Deiner bevorzugten Griffposition der Faustformel „Schulterbreite“ entsprechen und je nach Einsatzbereich unten mehr oder weniger stark ausgestellt sein. Bist Du im Wesentlichen mit hohem Tempo auf schlechten Straßen oder Schotterpisten unterwegs, hältst Du Dich beim Drop Flare zurück. Bewegst Du Dein Gravelbike eher im Gelände und auf Singletrails, hilft Dir ein größerer Flare.

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Reach: Zwischen gestreckt und gedrungen

Der Reach misst, wie weit das Lenkerhorn vom Oberlenker nach vorn ragt und bestimmt damit die Position des Bremsschalthebels. Je größer der Reach des Lenkers desto gestreckter die Haltung auf dem Rad. Natürlich redet da auch noch der Vorbau mit: Ein großer Reach lässt sich ergonomisch mit einem kürzeren Vorbau ausgleichen; funktioniert natürlich auch umgekehrt. Gravellenker haben in der Regel einen kürzeren Reach als tempo-orientierte Rennlenker. Tipp: Unsere Filter erlauben Dir, gezielt nach dem gewünschten Reach zu suchen.

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Drop: Komfortabel im Gelände

Der Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterlenker wird Drop genannt. Beim klassischen Rennrad geht es hier um Tempo und der Drop fällt groß aus, damit der Rennradfahrer sich richtig „klein“ machen kann. Beim Gravelbike ist das weniger wichtig, deshalb fällt der Drop meist geringer aus. Außerdem wird gerade im Gelände am Unterlenker mit ein bis zwei Fingern am Bremshebel gefahren. Ein zu hoher Drop erschwert Dir also die so wichtige Kontrolle über die Bremse. Zudem erschwert eine Fahrposition mit tiefem Drop die Sicht auf die Ideallinie und verringert Deine Beweglichkeit auf dem Bike. Ob Du einen Drop als komfortabel und gut fahrbar erlebst, hängt allerdings auch davon ab, welche Griffposition Du zur Nulllinie erklärst. Das meint salopp: Ist der Lenker also so hoch montiert, dass Du vom Ideal beim Umgreifen zum Drop „in den Keller“ gehst, oder hast Du den Lenker so tief montiert, dass Du beim Griff vom Drop zum Oberlenker „ins Dachgeschoss“ wechselst. Unser Tipp: Je mehr Du im Gelände fährst, desto eher sollte der Griff im Unterlenker als Standard gelten und der Drop lieber kleiner ausfallen. Der Drop steht zudem in einem Verhältnis zu Deiner Oberkörper- und Armlänge: Je größer diese bei Dir ausfallen, desto mehr Drop kannst Du bequem fahren.

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Backsweep: Gut für die Handgelenke

Der Backsweep beschreibt die Biegung des Querlenkers nach hinten, also in Richtung des Fahrers. Diese Rückbiegung empfinden viele Fahrer beim Griff im Oberlenker als komfortabler im Vergleich zum geraden Oberlenker. Gleichzeitig ist das ein „Kniff“ im gesamten Lenkerdesign: Denn der Reach des Lenkers verkürzt sich, ohne dass sich der Hornbogen des Lenkers in Form und Maßen ändert. Völlig logisch: Der Backsweep steht auch im Verhältnis zur Vorbaulänge. Je größer der Backsweep, desto länger muss der Vorbau sein, um die Bremsschalthebel an derselben Position zu behalten.

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Rise: Wenn es aufrechter sein soll

Wenn wir bei dem Bild der „Stockwerke“ bleiben, dann haben manche Gravellenker, wie die Hover-Serie von Specialized oder die ErgoMax-Modelle von Ritchey, noch ein Extra zu bieten. Ihre Oberlenker weisen wie beim MTB-Lenker einen Rise auf, sie heben sich neben der Vorbauklemmung an. Betrachte dies als „drittes Geschoss“, das den Obergriff erhöht, ohne die Formgebung des Drops zu beeinflussen. Logisch, auch hier gibt es eine Wechselwirkung zur Vorbauhöhe, denn der Rise addiert sich zur Vorbauhöhe. Den höchsten Rise (30 mm) besitzt der Truck Stop getaufte Lenker von Surly. Das sind MTB-Dimensionen!

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Unterlenker-Griff: Die Abkehr vom Runden

Bereits in den 1980-Jahren kamen die ersten Rennlenker auf, deren Hörner statt eines konstanten Radius eine ergonomische Biegung aufwiesen. Bei Gravellenkern kommt dieser Formgebung eine besondere Bedeutung zu, da der Lenker eben in diesem Bereich festgehalten wird, sobald es in anspruchsvolleres Gelände geht oder die Fahrt an Tempo aufnimmt. „Formschlüssigkeit“ ist das Schlagwort aus der Ergonomie, das hier zählt: Je mehr Auflagefläche zwischen Hand und Lenker besteht, desto komfortabler greift es sich und desto besser auch die Kontrolle bei wilder Fahrt. Eine Doppel-S-Form im Knick, wie sie etwa an den VentureMax-Lenkern (hier in der Carbon-Variante) von Ritchey zu finden ist, hat sich für viele Fahrer als besonders komfortabel erwiesen.

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Flare out: Knie-Kontakt unerwünscht

Um den Spagat zwischen ergonomischer Bauform und fahrdynamischer Funktionalität eines Gravellenkers zu vollziehen, werden auch die Enden der Lenkerhörner nach außen gebogen. Flare out ist dieses Maß benannt und wird in Winkelgrad angegeben. Diese ausgestellten Lenkerenden (wie etwa beim Service Course SL-70 XPLR Lenker von Zipp) sorgen dafür, dass Knie und Lenker beim Einlenken nicht frühzeitig kollidieren. Außerdem empfinden viele Fahrer einen Flare out als komfortabel, ähnlich wie Backsweep am Mountainbike-Lenker.

Bikepacker denken auch ans Gepäck

Wenn Du mit Deinem Gravelbike auch auf Bikepacking-Tour startest, dann wird Gepäcktransport bei der Lenkerwahl zum Thema. Ein breiter Lenker nimmt eine breitere Lenkerrolle auf. Drop Flare erhöht ebenfalls den „Stauraum“ zwischen dem Lenker, sofern die Tasche nicht unmittelbar unter dem Oberlenker sitzt. Ein großer Flare out kann aber zu Kollisionen zwischen Bremsschalthebeln, bzw. den schaltenden oder bremsenden Händen, und der Rolle führen. In jedem Fall solltest Du das harmonische Miteinander von Lenker und Tasche vor der ersten Tour prüfen. Beachte dabei, dass Brems- und Schaltzüge bzw. -hüllen unter Umständen beim Einlenken mit der Tasche kollidieren, dann müssen diese gegen längere ausgetauscht werden.

Beim Bikepacking sind Lenkertaschen eine willkommene Möglichkeit, leichtes Gepäck und diejenigen Dinge zu verstauen, auf die Du während der Tour schnell Zugriff haben möchtest.

Beim Bikepacking sind Lenkertaschen eine willkommene Möglichkeit, leichtes Gepäck und diejenigen Dinge zu verstauen, auf die Du während der Tour schnell Zugriff haben möchtest.

Achte jedoch darauf, dass Dein Lenker und die Tasche zueinander passen.

Achte jedoch darauf, dass Dein Lenker und die Tasche zueinander passen.

Keinesfalls sollten durch das Gepäck die Schalt- und Bremshebel, bzw. -kabel, blockiert werden.

Keinesfalls sollten durch das Gepäck die Schalt- und Bremshebel, bzw. -kabel, blockiert werden.

Exoten und Spezialisten

Beim Gravelbike kommen bisweilen auch wahre Exoten zum Einsatz. Der RM-016 von Nitto hat lediglich 50-mm-Drop und maximal viel Grad Flare Drop, so dass man kaum mehr von einem Dropbar sprechen kann, sondern eher von einem „gedropten Mustache“. Der Discover Carbon 31.8 von Pro wirbt damit, Platz für Oberlenkerbremshebel wie aus der GRX-Serie von Shimano zu bieten.

Vorbauklemmung: Bei allen Gravellenkern gleich

In einem sind sich alle Gravellenker einig: Die Klemmung beträgt 31,8 mm. Ein Augenmerk ist aber auch die Klemmbreite des Lenkers wert, etwa wenn Du einen Zeitfahraufsatz oder schlicht eine Vielzahl von Geräten (GPS, Akku-Leuchte usw.) montieren möchtest. So weisen die Gravellenker von Salsa eine außergewöhnlich breite Klemmung auf. Ein aerodynamisch oval ausgelegter Oberlenker reduziert umgekehrt den Spielraum für derlei Anbauten erheblich.
Wie bereits mehrfach erwähnt, gibt es zwischen den Maßen des Gravellenkers und dem verwendeten Vorbau Wechselwirkungen. Deshalb solltest Du sie als Einheit sehen: Der perfekte Gravellenker ist nichts, wenn die Maße des Vorbaus ihn in die falsche Position bringen. Stimme also die Maße aufeinander ab.
Mancher Gravellenker hat Vertiefungen für Bowdenzüge und Leitungen, so tragen diese weniger hoch auf und das sorgt in der Regel für bequemeres Greifen. Auch gibt es Lenker, wie den Service Course 70 XPLR von Zipp, der kompatibel mit dem elektrischen Verteiler EW-RS910 für Shimanos Di2 ist. Fürs Gravelbike lohnt sich außerdem extra dickes Lenkerband, wie das DSP 3.2 von Lizard Skins, oder auch schlicht die doppelte Ladung: Gerade auf Langstrecken wickeln alte Hasen mit großen Händen gerne zwei Lagen Lenkerband.

Mehr als eine Frage des Gewichts: Aluminium oder Carbon

Ob Du einen Gravellenker aus Aluminium oder aus Carbon wählst, ist mehr als eine Frage des Gewichts; wobei klar ist, dass die leichtesten Lenker aus Carbon sind. Die belastungsspezifische Auslegung von Carbonlenkern lässt diese in der Regel steif für Sprints und Lenkpräzision sein und dabei gleichzeitig auf schlechten Untergrund flexen. Das zahlt auf höheren Komfort ein und beugt einer frühzeitigen Ermüdung durch Vibrationen vor. Wer mit diversen Taschen und Anbauteilen auf Abenteuertour geht, für den ist umgekehrt Aluminium die robustere Wahl.
Ganz gleich, für welches Material Du Dich entscheidest: Achte auf gutes Werkzeug, um die Schrauben nicht rund zu drehen, und halte die Drehmomentangaben des Herstellers unbedingt ein. Im Zweifel hilft ein Drehmomentschlüssel. Fett bzw. Carbon-Montagepaste an der richtigen Stelle sollten ebenfalls nicht fehlen.
Der Winkelstellung des Lenkers und dem Montagepunkt der Bremsschalthebel im Lenkerbogen kommen beim Gravellenker eine wichtige Rolle zu. Im Gegensatz zum Rennrad werden die geraden Holme des Lenkerhorns nicht waagerecht zum Boden ausgerichtet, sondern so eingestellt, dass sie sich individuell komfortabel greifen lassen. Die Position der Bremsschalthebel ist beim Gravelbike in der Regel höher als beim traditionellen Rennrad. Wichtig ist, dass die Hoods bequem positioniert sind, wenn Du dort greifst. Gleichzeitig musst Du die Bremshebel gut erreichen können, wenn Du im Drop fährst. Viele Hersteller haben Markierungen auf dem Lenkerbogen angebracht. Dies vereinfacht systematisches Verstellen und das gleichmäßige Ausrichten beider Seiten.

Gravelbikes liegen im Trend und sind echte Tausendsassa. Ein individueller Laufradsatz kann das Fahrvergnügen weiter steigern.

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